Jo Zawinul
"Mei G`spür, des kummt von Z`haus"
Als junger Pianist begleitet er Soul-Legenden wie Ella Fitzgerald und Dinah Washington. Später steigt Joe Zawinul aus Wien Erd erg in den Jazz-Olymp auf, spielt mit den besten Musikern des 20. Jahrhunderts - und wird bald selbst einer von ihnen.
"Meine Musik ist kompliziert zu spielen, aber einfach zu hören".
Österreichs bedeutendster Jazzmusiker Joe Zawinul verlässt im Februar 1959 Wien. Mit 800 Dollar in der Tasche reist er per Bahn und Schiff in das Mutterland des Jazz - mit dem Vorsatz, nie weider nach Europa zurückzukehren. Schon bald begleitet er Ella Fitzerald am Piano. Nach einem Stipendium an der Bostoner Berkeley School of Music engagiert ihn Trompeter Maynard Ferguson für seine Bigband. Monatelang sind sie quer durch Amerika unterwegs - bis Dinah Washington Zawinul hört, engagiert und dem Publikum als Joe Vienna vorstellt. Fast zwei jahre lang begleitet der scheue Wiener, dessen Selbstvertrauen von Auftritt zu Auftritt wächst, die Königin des Blues: "What a Diff`rence a Day Makes!" Ein halbes Jahrhundert später begeistert mit dem Washington-Hit jene weiße Sängerin, die den Soul der Schwarzen einzigartig interpretiert: Amy Winehouse, die fünffache Grammy-Gewinnerin mit einem viel zu kurzen Leben.
Bald ist der eigenwillige, ruhelose Österreicher Zawinul in Amerikas Jazzszene als Pianist und Komponist bekannt. 1968 interviewt ihn der Journalist Herbert Feuerstein in seiner New Yorker Wohnung: "Überall auf der Welt gibt es gute Musik. Ich will in die Musik, die ich schreibe und spiele, mehr als nur eine Kultur hineinbringen. So verwende ich zum Beispiel auch indische oder Balkan-Musik, aber auch Blues und Wiener Musik." Immer wieder bekennt er später: "Des san meine Wiener Wurzeln, mei G´spür, des kummt von Z´haus..."
Josef Erich, der ein Leben lang stolz auf seine tschechischen und ungarischen Wurzeln ist, kommt im Sommer 1932 im Wiener Arbeiterviertel Erdberg als Sohn eines Schlossers zur Welt. Papa Josef, der im städtischen Gaswerk arbeitet, spielt in der Freizeit Mundharmonika, ist leidenschaftlicher Boxer und Gewichtheber. Das Boxen wird auch für seinen Sohn zur lebenslangen Passion. Mama Maria, eine ungarische Sintiza, singt in privatem Kreis und begleitet sich selbst am Klavier.
Wie kaum ein anderer Europäer bestimmt Zawinula den modernen Jazz mit.
Die musikbegeisterten Eltern schenken ihrem sechsjährigen Sohn ein Mini-Akkordeon, bald begleitet er am Wochenende in der Küche - der Großvater stellt den selbst gebrannten Sliwowitz auf den Tisch - die Familie bei ihren Gstanzln. Josef erhält bei einem Musiklehrer Unterricht. Bereits sehr früh erkennt dieser das absolute Gehör Zawinuls, es gelingt ihm, seinen Schüler bei kostenlosem Unterricht am Konservatorium der Stadt Wien unterzubringen. Beim Klavier-, Klarinette- und Violine-Unterricht ist der Weg zum klassischen Musiker Josef Zawinul vorgezeichnet.
Das Musical "Stormy Weather" begeistert den Elfjährigen: 24 Mal sieht er den Film, verliebt sich in die Hauptdarstellerin, Lena Horne - und will sie heiraten. Ein Jahr später hört er zum ersten mal Jazzmusik: "Des war guad, i hob mir denkt, bumm, des is was, des g`fallt ma."
Am 1. September 1945 spricht Josef auf der Erdbergstraße einen gleichaltrigen Buben an, ob er wisse, wo das Realgymnasium sei. ja, sagt Thomas, er sei eh auf dem Weg dorthin. Der spätere Bundespräsident Thomas Klestil wird sein Lebensfreund. Die beiden Erdberger Lausbuben graben unter dem Zaun ein Loch und robben sich ins Stadionbad oder schwindeln sich (kostenlos) in die Nachmittagsvorstellungen des Tonkino Capitol in der Erdbergstraße. Nach dem Film "Easter Parade" blasen Joe & Tommy auf Seidenpapier und verschieden großen Kämmen die Melodien nach, mit denen Fred Astaire die Nachtclubtänzerin Judy Garland bezirzt.
Als 17-Jähriger bricht Zawinul abrupt die Vorbereitungen für einen Genfer Klavierwettbewerb ab und wendet sich dem Jazz zu. Ein zwei jahre älterer Studienfreund gewinnt den renommierten Concours de Geneve: Friedrich Gulda.
Joe Zawinul wird später in Amerika zu einem führenden Jazzmusiker des 20.Jahrhunderts. In den unterschiedlichsten Facetten des Jazz. Jahrzehntelang bestimmt er wie kaum ein anderer Europäer die Entwicklung des modernen Jazz mit. Als Pianist, später auch als Arrangeur, Bandleader und Komponist und als Pionier auf dem elektrischen Keyboard. In seiner fast ein halbes Jahrhundert dauernden Weltkarriere wählt ihn das führende US-Jazzmagazin "Downbeat" 28 Mal zum Keyboarder des Jahres.
1970 bildet er zusammen mit Wayne Shorter die legendäre und auch finanziell erfolgreiche Jazz-Rock-Formation Weather Report. Bereits Ende der Sechzigerjahre nimmt Miles Davis den Ausnahmemusiker aus Wien in seine Band auf und produziert mit ihm mehrere richtungsweisende Platten, darunter "In a Silent Way" und "Bitches Brew". Seit den 1990er-Jahren entwickelt Zawinul mit dem Zawinul Syndicate seinen Stil weiter, der sich um die Fusion zwischen Jazz, Welt- und Tanzmusik bemüht.
Während der letzten 20 Jahre stellt sich der Erdberger Musiker, der den American Dream verwirklicht hat, immer neuen Herausforderungen, wie 1993, als er in Linz vor mehr als 80.000 Zuschauern in einer Licht- und Lasershow seine erste Sinfonie "Stories of the Danube" uraufführt.
Im Steinbruch des KZ Mauhtausen präsentiert er fünf Jahre später vor und 10.000 Menschen eine Klangcollage mit O-Tönen.
Ab 2004 spielt er im Jazzclub Joe Zawinuls Birdland im Souterrain des Hilton Hotels am Stadtpark und kämpft um die Existenz seines Lokals. Der Club gerät in finanzielle Schwierigkeiten, bald folgt der Konkurs. In seiner Wiener Heimat ist einem der wichtigsten Jazzmusiker des 20. Jahrhunderts kein Erfolg vergönnt.
C/ Michael Horowitz, Die Presse am Sonntag-1. August 2021
Lebenslinien:
- 1932 - Geburt. 7 Juli in Wien
- 1966 - Erster Hit. "Mercy, Mercy, Mercy"
- 1969 - Bahnbrechend. "In a Silent Way" für Miles Davis`LP
- 1970 - Beste Jazzband. Gründung der Gruppe Weather Report
- 1988 - Gründung seines Ensembles Zawinul Syndicate
- 2004 - Eröffnung des Jazzclubs Birdland im Hilton Hotel Wien
- 2007 - Tod. 7. August in Wien
Live in Mauthausen - Joe Zawinul
Anlässlich der Befreiungsfeiern am 31.8.1998 war auch ein Liveauftritt von Joe Zawinul vorgesehen.
GEDENKEN ZUR ERRICHTUNG MIT JOE ZAWINUL UND FRANK HOFFMANN:
60 Jahre KZ Mauthausen · niemals vergessen
m Steinbruch des ehemaligen KZ Mauthausen waren am Freitag die letzten Vorbereitungen für die heute abend stattfindende großangelegte Gedenkveranstaltung im Gange. Sie soll an den Beginn der
Errichtung dieser Vernichtungsstätte durch die Nationalsozialisten vor 60 Jahren erinnern. Die Musik dafür hat Joe Zawinul komponiert. Die Texte aus Briefen von ehemaligen Häftlingen wird
Burgschauspieler Frank Hoffmann lesen.
Veranstalter sind · wie die "Wiener Zeitung" bereits berichtete · das Innenministerium, die Österreichische Lagergemeinschaft Mauthausen und die Vereinigung "Mauthausen Aktiv Österreich".
Unter dem Motto "wir hören · Klang, wir sehen · Bild, wir sprechen · Wort" soll daran erinnert werden, daß in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern während des Nazi-Regimes mehr als 200.000 Menschen
inhaftiert waren und rund die Hälfte von ihnen ermordet wurden oder unter unmenschlichen Bedingungen zugrunde gegangen sind.
Veranstaltungsort ist der berüchtigte Granit-Steinbruch, in dem die Nationalsozialisten an den Häftlingen "Vernichtung durch Arbeit" praktizierten. Die "Todesstiege" führt über 186 Stufen vom
höhergelegenen Lager in den Steinbruch. Tausende Menschen brachen auf dem Weg ins Lager unter der Last der Steine zusammen und wurden von Bewachern erschossen oder von herunterrollenden Steinen
erschlagen. Über die steilen Wände des Steinbruchs neben der Todesstiege wurden die Häftlinge von ihren Bewachern wahllos hinuntergestoßen. Sie prägten dafür den Ausdruck "Fallschirmspringerwand".
Joe Zawinul berichtete in einem Interview, daß er sich bei seiner Komposition in die Rolle der Häftlinge hineingedacht und -gefühlt hat. Er will erreichen, daß vor allem die jungen Zuhörer die
Unmenschlichkeit von Mauthausen niemals vergessen. Er erinnert auch daran, daß viele Österreicher in dieser Vernichtungsmaschinerie mitgewirkt haben.
Das Bühnenbild gestaltete der Tiroler Architekt Anton Falkeis. Er hat eine Überspannung des Bühnenbereiches mit einer Art Membrankonstruktion geschaffen. Das gesamte Steinbruchgelände wird mit
elektroakustischen Mitteln die Wand- und Deckenreflexionen simulieren und so in einen virtuellen Konzertsaal verwandelt.
Ihre Teilnahme an der Veranstaltung haben eine Reihe von österreichischen Spitzen-Politikern zugesagt, ebenso mehrere Mitglieder des diplomatischen Korps in Österreich. Darüber hinaus werden etliche
Überlebende des Konzentrationslagers erwartet.
Vor der Veranstaltung enthüllen die Zeugen Jehovas eine Gedenktafel für die Opfer ihrer Glaubensgemeinschaft. Im Konzentrationslager Mauthausen und seinen Nebenlagern waren mehr als 300 von ihnen
inhaftiert. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/381367_60-Jahre-KZ-Mauthausen-niemals-vergessen.html
Nachdem ich mich für dieses Event als Pressevertreter registriert hatte war mein Zugang zu den Festivitäten ein Leichteres.
Ich wollte unbedingt diesen fantastischen Jazzmusiker persönlich kennen lernen. Und es gelang mir, dass er mir ein Interview gab. "Kummts um halber Achte, dann gemma a Stückl und redma" meinte Joe in seiner netten Wienerischen Art.
Ich habe mein Diktiergerät mitlaufen lassen und als er das gesehen hat meinte er, "oba ollas wos i sog derfst net verwenden", überhaupt des von de .... net". Ich hab mich natürlich daran gehalten. Und es war ein netter Abendspaziergang mit einer interessanten Plauderei mit Österreichs besten Jazzmusiker der mit internationalen Musikern wie Wayn Shorter, Miles Davis etc. schon gespielt hat. Unvergesslich dieser Moment!!